Herbert Grönemeyer – Live in Luzern

Herbert Grönemeyer als Dirigent des Luzerner Symphonieorchesters und der Pianistin Anna Vinnitskaya war ein unglaubliches Erlebnis zwischen Demut, Nervosität und Genialität. Für das Publikum ein Glücksmoment.

Seit 40 Jahren steht Herbert Grönemeyer auf der Bühne und man würde meinen da kann einen fast nichts mehr erschüttern. Als er am 28.11.2021 die Bühne des KKL Luzern betritt atmet er tief durch und von meinem Platz in der zweiten Reihe sieht die Nervosität nicht gespielt aus. Da sitzt jetzt ein ganzes Sinfonieorchester vor ihm ein voll besetztes Haus hinter ihm und er muss abliefern. Ich denke “Viel Glück” aber auch “Was soll schon schiefgehen, alles Profimusiker”. 

Das ganze beginnt mit Tschaikowky und seinem Slawischen Marsch, der zu einem Benefizkonzert für das Rote Kreuz im Jahr 1876 uraufgeführt wurde und den Kriegsverlauf des Befreiungskrieges der Serben gegen das Osmanische Reich erzählt. Am Ende lässt es Tschaikowsky mit viel Blech und der Zarenhymne richtig krachen.

Wenn man ganz vorne sitzt zieht sich ein Stück eines Orchesters viel mehr auseinander und die tiefen Töne in sind sehr präsent.  Ausserdem sind die vielen gezupften Einlagen deutlich wahrnehmbar. Ich zweifele schon im Konzertsaal, dass das Publikum hinten das so hören kann wie ich ganz vorne. 

So sollte sich das idealerweise anhören, wenn man vor dem Soundboard sitzt. Die Aufnahme von Matthias Georg Kendlinger scheint nicht schlecht zu sein und kommt dem gehörten irgendwie nah. Trotzdem ist ein Konzertsaal mit seinem Volumen und den lebendigen Instrumenten unvergleichlich.

Als zweites Stück hat Herbert Grönemeyers Kumpel und Bandmitglied seit 1982 – Alfred Kritzer – eine Suite arrangiert. Elemente aus Mensch und auch aus dem amerikanischen Spielfilm «The American» von Anton Corbijn mit George Clooney finden sich darin. Habe den Film damals sogar im Kino gesehen. Die Filmmusik stammt von Herbert Grönemeyer, was ich bis jetzt nicht wusste. Soweit so schön. Irgendwann in der Mitte denke ich, dass wir grade etwas sehr einfaches hören und dann merke ich, dass es ein Ausschnitt aus «Mensch» ist. Wie einfach Popmusik doch funktioniert 😉

Als drittes Stück wird nach kurzer Umbaupause Rachmaninoffs zweites Klavierkonzert (Konzert für Klavier und Orchester Nr. 2 c-Moll op. 18) gespielt. Die mit 36 Jahren immer noch als Shooting Star gehandelte Anna Vinnitskaya spielt hier wirklich ganz gross auf. Ich weiss nicht welchen Beitrag Herbert Grönemeyer zu Ihrem Spiel beigetragen haben könnte. Sensationell – und am Ende des Stücks springt der Saal auf und klatscht und jubelt. Das sie direkt vor mir sitzt, kann ich ihre Finger beobachten, die wie Derwische über die Tastatur sausen sehen und Ihre Mimik (die ziemlich lustig sein kann) zeigt, dass sie vollkommen in das Stück eintaucht und in den langsamen Passagen mit geschlossenen Augen spielt und wenn es schneller und düsterer wird auch selber ein entsprechendes Gesicht macht. Das halbe Stück spielt sie ohne auch nur hinzusehen.

Das Orchester spielt natürlich auch grossartig und zusammen bilden sie ein Team, welches Klänge zu einer Einheit verschmelzen lässt.

Hier das komplette Konzert mit Ihr in einer Aufnahme aus Köln. Klingt tatsächlich sehr anders als in Luzern. Die Zuschauer springen ja auch nicht auf. Alles sehr gesittet 😉

Dann greift Herber Grönemeyer selber zum Mikrofon. Dirigiert wird von nun ab durch Alfred Kritzer. Er singt “Halt mich” und Anna Vinnitskaya begleitet ihn gekonnt und mühelos am Klavier. Dann bewist er noch, dass er auch  in den oberen Tonhöhen immer noch singen kann. Herbert Grönemeyer lächelte dann ein bisschen froh und ein bisschen verschmitzt das es ihm gelungen ist. Hat alles gut geklappt, standing ovations und alle verlassen glücklich den Saal.

Man kann Herbert Grönemeyer nochmals in einem wirklich langen Interview nah kommen. “Die Zeit” macht einen Podcast der heisst “Alles gesagt”. Jochen Wegner und Christoph Amend interviewen ihn da über 5:15 Stunden.

Herbert Grönemeyer redet über Deutschland, sein Leben und seine Karriere, über seine Anfänge in Bochum und seine Jahre in London, über Begegnungen mit Willy Brandt und Nelson Mandela, Bono und Nastassja Kinski, über seine Skepsis gegenüber Spotify, seine Leidenschaft für Autos, seine Familie und Freunde, seine musikalischen Vorbilder, über sein schwieriges Verhältnis zu Boulevardmedien – und über sein letztes Konzert, das er mit 89 Jahren spielen will. Alles in Deutsch.

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